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       Auf sanften Flügeln durch das Land der

       Phantasie

  • Genau vor 200 Jahren kam das erste deutsche Märchenbuch in Schriftform heraus. Die Gebrüder Grimm (Wilhelm und Jakob) hatten sich im deutschsprachigen Raum, genauer gesagt hauptsächlich im Hessischen, (sie selbst stammten aus Hanau), von alten Frauen Märchen aus dem Mittelalter erzählen lassen. Diese Märchen schrieben sie auf und brachten sie 1813 in der Sammlung Kinder- und Haus-märchen heraus, die ihr Bruder (Ludwig Emil Grimm) illustrierte. Die Märchen dieses Buches sind frei erfunden, jedoch in der alten Märchensprache der Brüder Grimm geschrieben. Sie erzählen von Prinzen und Prinzessinnen, von Hexen und Zauberern und immer siegt am Ende das Gute. Der zweite Teil dieses Buches enthält Kurzgeschichten aus unserer Zeit und soll die Fantasie der Kinder anregen und sie auch zum Nachdenken über manche Alltagssituationen bringen soll. Fantasievolle Kinder sind auch kluge Kinder und so wünschen wir den Kindern und auch den Erwachsenen, die aus diesem Buch Märchen oder Geschichten lesen, viel Freude daran. Wir widmen dieses Buch allen Kindern dieser Welt.

  • Prinzessin Schreihals und Prinzessin Stimmleischen
  • In einem fernen Königreich herrschten einmal ein König und eine Königin, die hatten zwei Töchter. Wie die zwei Prinzessinnen wirklich hießen, dass wissen wir heute nicht mehr, aber man rief die eine „Schreihals“ und die andere „Stimmleischen“. Und das kam so: Prinzessin Schreihals war die ältere der beiden. Sie war nicht besonders hübsch, aber auch nicht hässlich und hatte eigentlich ganz schönes, braun gelocktes Haar. Schon von klein an schrie sie das ganze Schloss zusammen und damit sie Ruhe gab, bekam sie von ihrem Vater, dem König, immer etwas geschenkt, weil sich der König sonst nicht auf das Regieren konzentrieren konnte. Fortan, wenn sie etwas Bestimmtes haben wollte, schrie sie aus Leibeskräften. Und natürlich bekam sie immer, was sie wollte.
  • Am Anfang war es nur Spielzeug. Später schrie sie nach samtenen und seidenen Kleidern und nach Edelsteinen, Perlen und Gold. Die Prinzessin brauchte dafür einen eigenen Ankleidesaal, so groß wie ihn selbst die Königin nicht hatte, weil sie sonst ihre Sachen, die sie sich erschrieen hatte, nicht untergebracht hätte. Ganz anders verhielt es sich mit Stimmleischen. Als sie drei Jahre nach ihrer Schwester geboren wurde, befürchtete der Hofstaat schon das Schlimmste. Zwei Schreihälse würden hier alle zum Wahnsinn treiben. Aber Stimmleischen war das genaue Gegenteil von ihrer Schwester. Schon als Baby lächelte das Mädchen, wenn man in ihre Wiege sah und wenn es einmal weinte, dann nur ganz leise und nie sehr lange. Auch als Stimmleischen heranwuchs, sah sie ganz anders aus als ihre Schwester. Stimmleischen hatte langes goldlockiges Haar, freundliche blaue Augen und von Gestalt war es nett anzusehen. Und da sie nie etwas verlangte und immer sanftmütig war, hatte sie sogar ihre schreiende Schwester ins Herz geschlossen. Wenn ihre Schwester Schreihals mal wieder den ganzen Palast zusammenbrüllte, schickte man nach Stimmleischen und bald war Schreihals beruhigt. Stimmleischen trug auch die schönen Kleider ihrer Schwester Schreihals auf, die diese meist nur einen Tag lang anzog, denn dann schrie sie bereits nach einem Neuen. Nur den Schmuck wollte sie nicht tragen, denn sie fühlte, dass ihre Jugend Schmuck genug war.
  • Als Prinzessin Schreihals halbwegs alt genug war, um sie zu verheiraten, schickte der Vater Boten nach dem benach-barten, befreundeten Königreich. Bei seinem Freund, dem König des Reiches, lebte sein Sohn, Prinz Sanftmütchen. Dieser konnte keiner Fliege etwas zu leide tun. Und da Prinzessin Stimmleischen ihre Schwester immer so gut beruhigen konnte, hoffte der Vater natürlich, das Schreihals und Sanftmütchen gut zusammenpassen würden. Prinz Sanftmütchen aber hatte schon von Schreihals gehört und von der Angst, dem Schrecken und dem Lärm, den sie im Nachbarpalast verbreitete. Deshalb wollte er sich erst einmal ein Bild von der Prinzessin machen, die er heiraten sollte. Prinz Sanftmütchen hatte von Kindheit an einen guten Freund, er war der Sohn des königlichen Schäfers und nun selbst Schäfer im Dienst des Königs. Weil der junge Mann kräftig gebaut und stark war, hatte er in seiner Jugend einmal einen Bären von den Schafen vertrieben, der gerade ein Lamm reißen wollte. Fortan hieß er bei allen, die ihn kannten, der Schäfer „Bärenstark“. Eben diesen Schäfer Bärenstark erbat sich Prinz Sanftmütchen mit auf die Reise ins benachbarte Königreich nehmen zu dürfen. Unterwegs sprach der Königssohn zum Schäfer:
  • Lass uns die Kleider tauschen und geh Du in den Palast. Da mich ja niemand kennt, wird man glauben, dass Du Sanftmütchen bist. Ich aber will inzwischen Deine Kleider tragen und unten auf der Wiese vor dem Schloss helfen, die Schafe zu hüten. So kannst Du mir einmal am Tag Bericht erstatten, wie es sich mit Prinzessin Schreihals verhält.“
  • Und so wie es besprochen war, wurde es auch gemacht.
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